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Von Anti-Korruption zu Korrektheit

Von Anti-Korruption zu Korrektheit dank Verifizierung

Um über Anti-Korruption zu sprechen, muss man zuerst Korruption benennen. Zum Beispiel 2021 in Griechenland: Ein Krankenhaus in Karditsa, es ist Nacht. Eine Angestellte betritt das Gebäude, obwohl sie keine Schicht hat. Sie geht in ein Büro, setzt sich an den Computer, öffnet das Programm, das Covid-19-Impfungen erfasst und Zertifikate ausspuckt. Die Zugangsdaten hat sie von einem Arzt. Dort tippt sie Personen als geimpft ein, obwohl sie es gar nicht sind. Der Betrug fliegt auf, weil die Impf-Zertifikate nicht vollständig ausgefüllt sind. Ob Geld floss, konnten die Behörden noch nicht herausfinden. Sicher ist nur, dass fast alle Personen aus demselben Dorf stammen wie die Krankenhausangestellte, die zwischenzeitlich entlassen wurde. Wie lässt sich Anti-Korruption sonst durchsetzen?

Ein ähnlicher Fall, ebenfalls in Griechenland: Covid-19-Impfgegner bitten Ärzte, ihnen Kochsalzlösung anstatt des Impfstoffes zu spritzen. Die Ärzte nehmen jedes Mal 400 Euro dafür an – und spritzen das Impfserum. Korrupt und korrekt gleichzeitig. Wer hätte gedacht, dass das möglich ist? Wäre es nicht so ernst, müsste man darüber lachen. Diesmal kommen die Bestechlichen davon, weil die Bestechenden unerkannt bleiben wollen. Wo kein Kläger, da kein Richter. Allenfalls Journalisten, die Wind von der Sache bekommen hatten.

Volkswirtschaftlicher Schaden

Griechenland liegt auf dem Korruptionswahrnehmungsindex CPI auf Platz 58. Zum Vergleich: Dänemark steht auf Rang 1, Deutschland auf Platz 10, Italien auf dem 42., der Südsudan auf dem 180.ten (und letzten) Rang. Deutschland liegt im internationalen Vergleich eher vorn, allerdings sichtbar hinter den Spitzenreitern. Zudem hat sich seine Platzierung seit sechs Jahren nicht verbessert, vergangenes Jahr hat es durch die Maskenaffäre sogar einen Platz verloren. Das eine ist das anfällige Gesundheitswesen, das andere die Gesetzeslage. Der Paragraf gegen Abgeordnetenbestechung könnte strikter ausfallen. Wie sieht es in Unternehmen mit Anti-Korruption aus?

 

Bis Ende des 20. Jahrhunderts galten Schmiergeldzahlungen im Ausland als normal. Erst dann erkannte man das Ausmaß des volkswirtschaftlichen Schadens: In Deutschland belaufe er sich auf 250 Milliarden Euro pro Jahr (laut Transparency International), die Weltbank beziffert ihn weltweit sogar auf jährlich ca. 758 Milliarden bis 3 Billionen (zur Erinnerung: das ist eine Drei mit 12 Nullen; Stand: 2012). Die Summe entspreche zwölf Prozent der globalen Bruttowirtschaftsleistung und einer Reduzierung des globalen Wachstums von rund zwei Prozent. Doch Bestechung und Vorteilnahme sind nicht nur volkswirtschaftlich problematisch, sondern auch ethisch:

Menschenrechtlicher Schaden

Korruption ist die größte Bremse in der Reduzierung weltweiter Armut (SDG Ziel Nr. 1), weil korrupte Menschen Ressourcen abzweigen bzw. verschwenden. Die Folge: Vorteilsnahme mindert die nachhaltige Entwicklung der Welt, sowohl wirtschaftlich als auch politisch und sozial. Das heißt, wenn jemand seine Position ausnutzt und dabei richtiges Handeln zugunsten von Vorteilen missachtet – Bargeld und Sachzuwendungen sind übrigens am häufigsten –, führt es schlussendlich zur Verletzung von Menschenrechten. Anti-Korruption tut folglich not. Inwiefern?

 

Lebenswichtige Ressourcen wie z.B. Wasser wird zu überzogenen Preisen angeboten oder z.B. Schulmaterialien für Grundschulen in Entwicklungsländern sind überhaupt nicht verfügbar. Korruption bremst so Gegenwart und Zukunft in den betroffenen Ländern. Vor allem die Wirtschaftskraft ressourcenreicher, aber armer Länder wird durch Korruption geknebelt. Fairer Wettbewerb durch Angebot und Nachfrage sieht anders aus – und erlaubt Chancengleichheit, die ebenfalls leidet. Nicht zuletzt verunmöglicht ein korruptes Rechtssystem häufig Rechtssicherheit und Gerechtigkeit. Anti-Korruptions-Maßnahmen sind daher immens wichtig, um eine lebenswerte Zukunft zu schaffen, weltweit und in Deutschland. Denn Korruption ist ein soziales Phänomen, unabhängig vom Reichtum einer Wirtschaft, und auch wir sind keine Heiligen:

Korruption in Deutschland

2020 wurden im täglichen Durchschnitt 15 Korruptionsvorfälle polizeilich erfasst, das heißt 5.510 im ganzen Jahr, 2011 waren es noch rund 50.000. Das sind diejenigen, die ans Tageslicht kommen. Die meisten der erfassten Straftaten entfallen auf „Bestechung“, deren Versuch bereits strafbar ist. Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition von „Korruption“, die Paragrafen definieren dagegen „Vorteilsannahme“, „Bestechlichkeit“, „Vorteilsgewährung“ und „Bestechung“ (sowie ihre Begleitdelikte). Das heißt, zur Korruption gehören immer zwei: jemand, der/die anbietet, und jemand, der/die annimmt. Anti-Korruption setzt am besten bei beiden an.

 

Korruptes Verhalten geschieht situativ bzw. spontan oder strukturell. Man teilt sie auch ein in Bagatell-, Gelegenheits- und Netzwerk-Korruption. Je größer die involvierten Unternehmen, desto größer die fließenden Beträge und Gefälligkeiten. Aber auch KMU mischen mit – ihr Anteil summiert sich und ist möglicherweise insgesamt höher als der von Großunternehmen. Die häufigsten Situationen ergeben sich dabei im Personalbereich und bei der Auftragsvergabe zwischen Käufern und Einkäufern entlang von Lieferketten. Aber auch kleine Gesten können als Korruption gelten:

Anti-Korruptions-Management braucht Mut. Und Richtlinien.

Dr. Sied Sadek

Korruption in Unternehmen

Ein offerierter Kaffee mag noch in Ordnung sein – abhängig von Unternehmens-Policy und jeweiliger Wertgrenze für Geschenke. Auch eine Flasche Wein oder Champagner darf in der Regel verschenkt und angenommen werden. Wenn der Wein allerdings 500 Euro pro Flasche kostet, wird es schwierig – und ein Fall für die Compliance-Abteilung (falls vorhanden). Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, große zerstören die Reputation.

 

Im Grunde geht es bei Korruption und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung um gute Lebensführung und um das Verwirklichen ethischer Werte – nicht zuletzt im Sinne und Kontext von ESG. Um Anti-Korruption zu betreiben, muss man sich fragen: Was ist für unser Unternehmen wertvoll? Auf privaten Gewinn ausgerichtetes Handeln oder darum, das Richtige zu tun und integer zu agieren? Auch: Wie wollen wir uns fühlen, mit dem, was wir tun? Und wie schützen wir unsere Reputation? Die Philosophie hat eine Antwort mit Immanuel Kants Kategorischem Imperativ:

Kategorischer Imperativ

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Anders ausgedrückt, wenn ein Mensch in einer Situation die Freiheit hat, sich so oder anders zu entscheiden, dann sollte er das wählen, was allen zugute kommt. Das braucht Mut, würde Unternehmensberaterin Brené Brown sagen, weil man sich dabei verletzlich mache. Dennoch:

 

Nicht das Korrupte, sondern das Korrekte wählen. Schon Babys im vorsprachlichen Alter wissen, was das Gute und Korrekte ist. Warum verlernen wir es als erwachsene Mitarbeitende und Manager:innen? Vielleicht verlernen wir es nicht, vielleicht sind es manchmal die Umstände, manchmal die Gelegenheit, die zur (spontanen) Korruption führen. Wie bei den anfangs erwähnten griechischen Gesundheitsmitarbeitenden. Griechenland führt nun ein spezielles Gesetz zu Impfungen und Impfzertifikaten ein – als Präventivmaßnahme für die Zukunft.

 

Richtlinien, Sensibilisierungskampagnen und Schulungen zur Anti-Korruption können präventiv unterstützen, die Integrität von Ländern und Unternehmen zu schützen. Im betrieblichen Bereich z.B. eine Wertgrenze für Geschenke – etwa zwischen 0 und 30 Euro – einführen und klar kommunizieren. Anwälte und Compliance-Beauftragte stabilisieren zudem korrektes Verhalten in Unternehmen. Analog zum ökologischen Fußabdruck sollte die Unternehmensführung einen integren Händedruck in der Organisationskultur verankern. Am besten sind wahrhaftige Mitarbeitende, die sich aus intrinsischen Gründen integer verhalten, und gesetzliche Regelungen, die extrinsisch dazu animieren, Anti-Korruptions-Maßnahmen einzuhalten.

Ihr nächster Schritt?

Wenn Sie in Ihrer Organisation solche oder andere Anti-Korruptions-Maßnahmen eingeführt haben und sie extern von uns begutachten und bewerten lassen, stärken Sie nicht nur die Reputation Ihres Unternehmens und das Vertrauen Ihrer Stakeholder. Sie tun auch etwas zum Wohle der Gesellschaft und der ganzen Welt. Gibt es ein besseres Gefühl?

 

Der Korruptionswahrnehmungsindex CPI vergibt Punkte zwischen 0 = sehr korrupt und 100 = sehr integer. Was denken Sie, wo der Durchschnittswert aller Länder liegt? Er ist 42 von 100. Es gibt noch viel zu tun.