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“Nachhaltigkeit ist erfolgreich, wenn sie cool ist!”

Exklusiv-Interview mit Prof. Dr. Torsten Weber

Erfahren Sie in unserem exklusiven Interview mit Prof. Dr. Torsten Weber, wie Nachhaltigkeit cool und machbar wird, welche Rolle die Wissenschaft für die Nachhaltigkeit spielt, und warum Aufhübschen nicht reicht.

Herr Prof. Weber, 50 Jahre Club of Rome – damals ein Erfolg, aber wir sind kaum vorangekommen. Heute mahnt u.a. Prof. Johan Rockström, dass wir die Kipppunkte erreichen: Welchen Ton muss man als Wissenschaftler anschlagen, um heutzutage zu den Menschen durchzudringen?

Das ist eine sehr gute und wichtige Frage. Ich bin der Meinung, dass die Gesellschaft bei Krisenereignissen mehr auf die Wissenschaft hören muss, aber sie tritt häufig etwas langweilig und spröde auf. Wir müssen es schaffen, das Thema Nachhaltigkeit so cool, interessant und entertainmentmäßig voranzutreiben, dass Menschen nicht nur aufgrund des Drucks zuhören, sondern weil sie es für spannenden Content halten. Die Nachrichten sollten nicht nur mahnen, sondern unterhalten, informieren und so sensibilisieren. Nachhaltigkeit wird dann erfolgreich, wenn sie cool wird und positiv konnotiert ist! Das gilt branchen- und produktunabhängig, wobei das im B2C-Bereich leichter umzusetzen ist als bei B2B.

Prof. Dr. Torsten Weber

Wir müssen ganzheitlicher denken.

Prof. Dr. Torsten Weber

Ist das Thema nicht zu existentiell, um salopp daherzukommen?

Es gibt gute Ansätze, zum Beispiel von Professor Lesch, der eine wirklich spannende ZDF-Sendung hat. Er bettet es sehr interessant in Stories ein. Überhaupt ist Storytelling ein gutes Tool. Wir werden in Zukunft noch so viele Vorgaben und Richtlinien von der EU wegen des European Green Deal bekommen, dass wir das Thema von einer anderen Seite angehen müssen. Positiv macht eben mehr Spaß!

Und wie gelingt der Wissenstransfer vom „Elfenbeinturm“ in den Mittelstand?

Der Mittelstand hat viele praktische Erfahrungen, aber dem Mittelstand aus seiner eigenen Branche Cases aufzutischen, wie eine Firma es besser machen kann, ist schwierig. Da finde ich es interessanter, Beispiele aus einer anderen Branche zu bieten! Unternehmen, die ich berate, finden es extrem spannend, wenn ich Cases aus dem Sport mache – und gleichzeitig erzähle ich den Basketballern, was wir im Mittelstand machen. Branchenaustausch ist meine Möglichkeit, Wissen zu vermitteln.

Nachhaltigkeit bedeutet Veränderung: Wie können Unternehmen ökologische Produkte und Prozesse in den Kern des unternehmerischen Handelns aufnehmen – ohne dass es nur ein „Aufhübschen“ ist?

Ich glaube, am Ende des Tages muss immer ein Business Case daraus resultieren. Das ist für mich ein übergeordnetes Ziel, wenn ich mit Unternehmen etwas gestalte, auch im Sport, dass man einen Imagevorteil erzielt oder eben sogar Geld verdient. Es reicht nicht aus, aufzuhübschen oder nur ein Produkt aufzunehmen. Es muss strategisch in allen Produktbereichen aufzufinden sein und klar mit ökologischen Zielen verzahnt sein. Dann funktioniert es und ist kein Greenwashing. Und es muss entlang der kompletten Lieferkette sein, nicht nur im eigenen Gebäude, sondern auch vorher schon beim Lieferanten. Wir müssen uns fragen, wie wir die vorgelagerten Stufen und damit die gesamte Produktion nachhaltiger machen können.

Die Klimakrise ist als Umweltthema definiert. Was würde geschehen, wenn wir stattdessen thematisieren würden, inwiefern die Klimakrise den Mittelstand beeinflusst, die Arbeitsplätze und die Sicherheit?

Nachhaltigkeit muss in jedem Funktionsbereich verankert sein, aber wenn ich mich für einen entscheiden muss, dann in der ersten Phase und damit in der Beschaffung. Hier steckt das größte Potenzial an Nachhaltigkeit, angefangen bei logistischen Prozessen über Materialien bis zur Produktauswahl. Ganz charmant ist es auch im Qualitätsmanagement, weil hier ein Querschnitt für verschiedene Bereiche passiert. Man könnte hier gut einen CRS-Manager andocken, aber der Best Case ist eine eigene CSR-Abteilung, die alle Bereiche im Blick hat. Im Marketing halte ich es für ungeeignet.

In welchem Funktionsbereich eines Unternehmens ist Nachhaltigkeit am geeignetsten angesiedelt? Oft ist es das Marketing, aber das scheint eher ein Gegensatzpaar mit Nachhaltigkeit zu sein ...

Ich glaube, dass wir das machen müssen, denn wenn wir über alle Dimensionen sprechen, dann auch von der ökonomischen. Es ist nicht realistisch, dass wir Nachhaltigkeit ohne den Mittelstand in den Griff bekommen. Wir verdrängen das gern. Deshalb drehe ich es gerne um, damit wir es für Nachhaltigkeit nutzen können: Ich sehe eine große Chance, den Mittelstand positiv, proaktiv und innovativ zu gestalten UND gleichzeitig die Klimakrise in den Griff zu kriegen. Wir müssen das in einen Business Case überführen!

Wo bietet Nachhaltigkeit Chancen für den Mittelstand?

Nachhaltigkeit hat die Gesellschaft stärker fragmentiert und ich muss als Unternehmen Konsumenten erreichen, die ich vorher nicht angesprochen habe. Deshalb sehe ich die Forcierung und Etablierung von Innovationen, neue strategische Geschäftsfelder, auch neue Zielgruppen für den Mittelstand. Ein Beispiel ist die Firma Rügenwalder Mühle: Vor zwölf Jahren habe ich mit ihnen in einem Kommunikationsprojekt zusammengearbeitet. Hätte ich damals gesagt, 2020 werden Sie mehr vegetarische Produkte als Fleischerzeugnisse verkaufen, das hätte man mir nicht geglaubt.

Und wo sehen Sie Risiken?

Zu den Risiken muss man klar sagen, dass Greenwashing über allem schwebt. Es geht dabei nicht nur um den Imageverlust, sondern auch um hohe Investitionen, die sich nachher nicht auszahlen. Viele innovative Themen entwickeln sich ja erst noch, neue Maschinen, neues Material, Umstellungen, das alles kann ein Risiko sein. Und auch, dass der Verbraucher es noch nicht honoriert, das Attitude Behaviour Gap – die Verbraucher finden es wichtig, aber da es teuer wird, sind sie zurückhaltend, was den Konsum angeht. Ich nehme hier auch die Medien in die Pflicht, uns vorzubereiten, dass wir mehr zahlen müssen.

Nur mit dem Mittelstand bekommen wir Nachhaltigkeit in Griff.

Prof. Dr. Torsten Weber

Der Verein Sports For Future bietet die Aktion Sports4Trees: Ist Aufforsten zur CO2-Kompensation immer sinnvoll? Manche Stimmen sagen, es gäbe z.B. nicht genug Landflächen oder andere Probleme. Wie sehen Sie das?

Das Thema Aufforstung ist ein kleines, aber wichtiges Tool in unserem Baukasten der nachhaltigen Entwicklung. Die Reduzierung von CO2 ist mitunter schwierig, weil ein Baum nur langsam wächst, aber es sensibilisiert die Menschen, etwas zu tun und erhöht den sozialen Druck. Derzeit betreue ich das Thema der CO2-Kompensation beim DFB und Die Mannschaft wird ab Oktober ein Aufforstungsthema betreuen. Dabei geht es also mehr ums Nudging, ums Anstupsen. Das heißt, dass sich jemand sagt, Die anderen machen was, da muss ich auch kreativ werden.

In Ihrem nachhaltigen Start-Up THE SEVENTEEN animieren Sie zu mehr Nachhaltigkeit und decken wirklich alle 17 SDGs ab, was selten ist: Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Wir versuchen, Nachhaltigkeit stärker voranzubringen, indem wir Produktwelten nachhaltiger machen. Das heißt derzeit einfache Produkte, die man im Bad, in der Küche, im Wohnzimmer… hat. Das Ziel ist, Nachhaltigkeit in alle Produktwelten hineinzubringen, um den Druck zu erhöhen, nachhaltiger zu leben. Dahinter steht ganzheitliche Nachhaltigkeit, denn das ist, was wir brauchen, weil alles mit allem wie in einem Ökosystem zusammenhängt. Wir müssen ganzheitlicher denken!

Provokante Frage: Wie setzen Sie das bei einem Ziel wie etwa Leben unter Wasser um?

Dafür haben wir Dr. Diana Born. Sie ist promovierte Biologin und Taucherin. Diana hat Wasserwelten gepflegt und Korallenriffe wiederaufgebaut. Wir haben beispielsweise für den kommenden April eine Beach-Aktion mit Handtüchern aus nachhaltiger Produktion geplant, um Geld in Richtung Wasserwelten zu lenken.

Diana Born ist eine Ihrer 17 Pat:innen. Sie selbst haben die Patenschaft für SDG 13 „Aktionen gegen den Klimawandel“ übernommen. Warum gerade dieses?

Klima ist neben Biodiversität und Wasser DAS dringendste Thema wegen des 1,5-Grad-Zieles. Und als ich vor 15 Jahren die Idee zu The Seventeen hatte, da habe ich für SDG 13 selbst die Verantwortung übernommen, weil wir dort am stärksten etwas tun müssen.

Und wie setzen Sie sich dafür ein?

Ich setze mich beruflich für Wissensvermittlung zwischen verschiedenen Disziplinen ein. Ich habe beispielsweise Studien innerhalb des deutschen Sports mit 1000 Teilnehmenden durchgeführt, um Wissen für nachhaltigere Ansätze zu schaffen. Das ist eine Möglichkeit, die ich als Wissenschaftler habe. Ich verzahne es mit Studierenden, die Nachhaltigkeitsmanagement lernen und so von den Ansätzen erfahren, damit sie sie in ihrem Beruf übernehmen können.

Wie kann Sport Nachhaltigkeit stärken? Fußballvereine müssen seit Kurzem die DFL-Nachhaltigkeitsrichtlinie erfüllen, um sich für die Bundesliga lizenzieren zu können. Sie sind in der Basketball-Bundesliga aktiv unterwegs ...

Ich bin strategischer Berater der Bundesbasketballliga. Wir sind jetzt gerade dabei, eine Nachhaltigkeits-Strategie für sie zu entwickeln, die sich an den SDGs orientiert. Wir haben anhand einer Wesentlichkeitsanalyse die wichtigsten Themen herausgearbeitet und die könnten jetzt langfristig zu einer Richtlinie oder zu einer Verordnung führen. Die Vorgaben von übergeordneten Institutionen auf Vereine nehmen zu, weil die Bundesligen erkannt haben, dass sie als gesellschaftliches Phänomen etwas tun müssen.

Abschließend: Sie bewegen sich bei Ihrer Arbeit in drei Disziplinen – Sport, Wissenschaft, Mittelstand. Was ist das gemeinsame Dach?

Die Wertevermittlung! Sie greift das SDG4, also hochwertige Bildung, auf und das ist die Basis von stabilen Werten wie Fairness oder Transparenz. Aus solchen Werten müssen wir Maßnahmen ableiten, um die Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten.

 

Torsten Weber lehrt Nachhaltigkeitsmanagement an der CBS International Business School, ist Gründer und Geschäftsführer der THE SEVENTEEN GmbH, hat den Verein Sports for Future mitgegründet und ist als Unternehmensberater tätig. Er ist hat den ersten „Bundesliga Umweltreport“ der Deutschen Fußball Liga mitverantwortet. Derzeit begleitet er die Basketball-Bundesliga bei ihrer Nachhaltigkeitsstrategie.

 

Die SQS Deutschland GmbH begutachtet und optimiert Lieferketten, auch branchenübergreifend.