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Wie Sustainable Cities die Lebensqualität verbessern

Sustainable Cities

Von Kiel bis Konstanz leben rund 77,5 Prozent aller Deutschen in Städten – Zeit für Sustainable Cities! Denn bis 2050 werden ungefähr genauso viele Menschen rund um den Globus in Städten leben, derzeit sind es circa 55 Prozent – mehr als die Hälfte. Unsere Städte nehmen weltweit drei Prozent der Fläche ein, konsumieren allerdings 60 bis 80 Prozent der Energie und stoßen 75 Prozent CO2-Emissionen aus. Sustainable Cities versuchen, das Ungleichgewicht zu harmonisieren, im Klartext:

Wir müssen runter mit dem Verbrauch oder jedenfalls mit der Verschwendung von Lebensmitteln, Wasser, Energie und Müll.

Es ist schon länger klar, wenn es um Sustainability geht, ist jede und jeder Einzelne gefragt, weil jede Handlung aufs Ganze wirkt. Aber insbesondere unsere Städte beeinflussen die globale Nachhaltigkeit, wie die Zahlen oben deutlich zeigen. Den Vereinten Nationen (UN) ist es schon länger bewusst, daher haben sie 2015 bei der Verabschiedung der SDGs, den Sustainable Development Goals, die Nummer Elf der Nachhaltigkeitsziele den Städten und Siedlungen gewidmet …

Städte und Nachhaltigkeit

Das elfte Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen lautet: “Make cities and human settlements inclusive, safe, resilient and sustainable.” – zu Deutsch:

Städte und Siedlungen integrativ, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen

SDG 11

Die UN haben für das SDG 11 zehn Unterziele und 15 Indikatoren festgelegt, von Stadtentwicklung und Wohnungen, über Grünanlagen und Transportsysteme, bis zu dem Schutz kultureller Stätten und Umweltauswirkungen. Auf Sustainable Cities bezogen liegen die größten Herausforderungen in der Verkehrsbewältigung, Umweltzerstörung und dem Wasser-, Sanitär- und Abfallmanagement. Es scheint ein alter Hut zu sein, aber dieser Hut ist so wichtig wie nie:

 

Das Kompostieren von Bioabfällen, das Verwenden erneuerbarer Energien und das Recyceln gebrauchter Materialien sollten im Zentrum jedes nachhaltigen Handelns stehen – als Einzelne und als Stadt. Städte werden zu Sustainable Cities, wenn sie sich nachhaltigen Zielen verschreiben. Um Kommunen zum nachhaltigen Engagement zu befähigen, hat die Bertelsmann Stiftung u.a. das sdg-portal.de eingerichtet. Diese Plattform veröffentlicht SDG-Indikatoren und Maßnahmen von und für Kommunen (ab 5000 Einwohnern). Denn:

Städte und Klimawandel

Das große Thema hinter Sustainable Cities ist der zentrale Einfluss von Städten auf den Klimawandel. Eine Stadt, deren Engagement dabei besonders hervorzuheben ist, ist Kiel. Die Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins ist auf dem Weg zur Zero.Waste.City und hat sich als erste Stadt Deutschlands dem Zero-Waste-Europe-Netzwerk angeschlossen. Im November 2019 hat Kiel dafür ein 270 Seiten umfassendes Konzept vorgelegt, mit dem die Stadt an bestehende Klimaschutzaktivitäten anschließen möchte:

Frau Kahl, Sie sind Projektleiterin des Zero.Waste.City-Projektes. Wo beginnt man bei einem solch umfassenden Projekt?

Wir hatten bereits einen Masterplan im Bereich Klimaschutz erstellt und gesehen, dass dieser um die Abfallvermeidung ergänzt werden kann. Deshalb haben wir Zero Waste-Vorhaben angestoßen, um das Projekt in unterschiedlichen Ebenen und Bereichen – zum Beispiel in Haushalten, Bildungs- und Gewerbeeinrichtungen oder in der öffentlichen Verwaltung – im Stadtgebiet umzusetzen. Das war mit Workshops verbunden, zu denen wir auch Kieler:innen eingeladen haben. In den Workshops haben wir gefragt, wo die Menschen Hebel und Ansätze sehen – das ergab unterschiedliche und vielfältige Ideen. So konnten sie und viele Schlüsselakteure in den einzelnen Bereichen bei der Konzepterstellung mitwirken.

 
Wie haben Sie konkrete Maßnahmen entwickelt?

Im Endeffekt durch die Konzepterstellung. So haben wir nun ein 270-Seiten-Konzept vorliegen, in dem wir viele Ideen identifiziert und daraus über 100 Maßnahmen abgeleitet haben, die wir jetzt umsetzen. Und wir haben auch geschaut, was Best-Practice-Beispiele sind, was bei anderen erfolgreich umgesetzt wird. Diese Maßnahmen möchten wir nun in den nächsten Jahren und Jahrzehnte umsetzen!

 
Was raten Sie anderen Städten?

Ich glaube, ganz wichtig ist, dass man die Bevölkerung vor Ort mitnimmt. Es geht darum, was aktiv schon in einer Stadt oder Gemeinde umgesetzt wird, wo gibt es Anknüpfungspunkte und Engagement, von dem man profitieren kann. Beteiligung und Partizipation sind wichtig für die Akzeptanz, und um die Ideen in verschiedenen Bereichen umzusetzen. Denn im Endeffekt ist ein so großes Vorhaben wie Zero Waste nur gemeinsam zu schaffen.

 
Haben Sie ein Beispiel?

Zum Beispiel Aktivitäten in Schulen. Viele Schulen sind schon sehr aktiv und auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, aber es gibt auch welche, die das noch nicht so umsetzen, weil Schulen viele Themen bedienen müssen. Dafür gibt es unsere Maßnahme: „Förderprogramm und Etablierung von Zero-Waste-Schulen“, die wir im letzten Jahr gestartet haben und in diesem Jahr möchten wir Worshops ausrichten, um Kriterien für Zero-Waste-Schulen herauszufinden, mit denen Abfälle vermieden und das Bewusstsein gestärkt werden kann. Abfallvermeidung und Ressourcenschutz versuchen wir auch in den Lehrplänen zu integrieren, das ist nicht immer ganz einfach, aber es gibt auch da viele Ideen, zum Beispiel Projektwochen.

 
Bei Nachhaltigkeit geht es oft ums Verzichten: Wie kann Verzicht zur Freude gemacht werden?

Man muss mit Informationen aufklären und praktische Tipps und Anleitungen an die Hand geben, damit die neue Erfahrung Freude bereitet. In vielen Bereichen. Wenn wir zum Beispiel von unserer Stoffwindel-Förderung sprechen, die wir im September eingeführt haben, da fragen manche, „Das hat man doch vor 30 Jahren gemacht, sind die noch hygienisch?“ Ja, sind sie. Stoffwindeln können zu einer besseren Hüft- und Gelenkentwicklung beitragen, weil man breiter wickelt und auch das Trockenwerden ist für Kinder einfacher, weil durch fehlende Superabsorber – wie es bei Einmalwindeln heißt – wieder Nässe entsteht. Das ist also bei Stoffwindeln ganz anders, bei der das Kind aus der Windel herauswachsen möchte. Wir müssen also Berührungspunkte und Gewohnheiten hinterfragen und verändern.

 
Am 01. Januar 2023 tritt die Mehrwegpflicht, auch Pfandpflicht genannt, in Kraft…

Im Stadtgebiet haben wir viele Mehrwegbecher, aber auch für Take-away-Essen gibt es Mehrwegbehältnisse. Auch da muss man mit Informationen an Kunden, Betriebe und Gastronomen herantreten, um die Hemmnisse abzubauen. Ein Pfandsystem ist aufwändiger, aber man muss auch über die Nachteile von Einwegprodukten aufklären. Die sind vielen in der heutigen Konsum- und Wegwerfgesellschaft ja gar nicht bewusst.

 
Was planen Sie als nächstes?

Nächste Woche haben wir unsere Haushalts-Challenge geplant, die den Mai über läuft, bei der wir alle Kieler*innen dazu aufrufen, selbst erste Schritte mit Zero Waste auszuprobieren. Da gibt es Themenwochen mit verschiedenen Tipps und Tricks. Es geht nicht darum, ein Experte zu werden, sondern dass man einzelne Schritte ausprobiert, sie kennenlernt und langfristig in seinen Alltag integriert. Wenn wir gemeinsam Abfälle vermeiden wollen, geht es nur, wenn alle mitmachen. Wir haben ja auch alle unterschiedliche Lebenslagen – da ist es gut, wenn man die Menschen so anspricht, dass einzelne, ganz leicht zu implementierende Schritte Erfolgserlebnisse schaffen, aber auch herausfordernde Dinge in so einem Rahmen ausprobiert werden können. Daran kann man anknüpfen und die Bewusstseinsbildung vorantreiben.

Neben dem Reduzieren von Abfall – wie Projektleiterin Selina Kahl im Interview oben berichtete – ist auch die Mobilität in den Städten ein wichtiges Thema. Die Zahl der Städte, die Car-Sharing oder Leih-Fahrräder für Ihre Bürger:innen anbieten, wächst kontinuierlich. Eine klug genutzte Digitalisierung unterstützt dabei Sustainable Cities, in denen z.B. Fahrräder mit dem Smartphone lokalisiert und (teilweise gratis) genutzt werden können:

Leihräder sind super. Man kann damit einen größeren Einkauf transportieren oder Müll zum Wertstoffhof bringen. Außerdem finde ich es wichtig wegen des Klimas.

Sabine Urbanski, Fahrradnutzerin

Zur Klimaerwärmung tragen bekannterweise keine Fahrräder, aber Autos durch ihre gesamten Emissionen von Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten (CO2e) bei. Das Kernproblem daran sind allerdings nicht die Autos an sich. Das Problem sind wir. Wie nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt hat, besteht ein Unterschied darin, etwas zu wissen und etwas zu tun. Neue Verkehrs- und Mobilitätskonzepte sind da und es besteht kein Wissensdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Das zuvor genannte Beispiel nimmt es vorneweg:

Gutes Gewissen gratis

Vehicle-Sharing und z.B. Nachbarschaftshilfe oder Reparaturcafés reduzieren Neuanschaffungen. Auch Second-Hand- oder Unverpackt-Läden, in denen es ein gutes Gewissen gratis dazu gibt, tun das. All dies hilft beim Schützen bzw. Schonen von Ressourcen. Im Kern geht es darum, dass wir bestehende Produktions- und Konsummuster überdenken und ändern sollten. Damit wir die Gesamtbelastung der Umwelt reduzieren, rät der Experte für Ressourcenwirtschaft Dr. Axel Zentner von der TU Dresden im Deutschlandfunk:

Wir sollten das kaufen und konsumieren, was wir brauchen. Und nicht, was wir haben wollen.

Dr. Axel Zentner, TU Dresden

Um die Bedürfnisse der Stadt- und auch Landbewohner, darunter Partygänger, Parkplatzsuchende, Fahrradfahrer, Fußgänger, Kinderwagenschiebende, Rollatorennutzende, Gewerbetreibende etc. dauerhaft zu befriedigen, brauchen wir eine nachhaltige Umwelt, eine nachhaltige Wirtschaft und eine nachhaltige Gesellschaft. Anders gesagt, um nachhaltige Lebensbedingungen für eine lebenswerte Zukunft zu schaffen, müssen wir die Pariser Klimaziele einhalten. Städte sind dabei von zentraler Bedeutung. Sustainable Cities sind ein wichtiger Schritt dazu.

Die SQS Deutschland GmbH bewertet und verifiziert Sustainable-City-Projekte.