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„CSRD – das wird richtig spannend!”

Deutsche und Europaflagge im Wind

„CSRD - das wird richtig spannend!“

Am 24.07.2024 hat das deutsche Bundeskabinett das Umsetzungsgesetz für die europäische Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD, beschlossen. Der deutsche Gesetzentwurf muss noch im Deutschen Bundestag beraten und verabschiedet werden. Das Gesetz beinhaltet die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und regelt die Berichts- und Prüfpflicht. Anlass für uns, mit Wirtschaftsprüfer und Nachhaltigkeitsexperte Carsten Ernst darüber zu sprechen: 

Herr Ernst, wie stehen Sie zu dem veröffentlichten Regierungsentwurf zur Umsetzung der CSRD? Auf LinkedIn schrieben Sie, er kam für sie absolut unerwartet?

Ja, das stimmt. Er kam, glaube ich, nicht nur für mich überraschend und das führte schon zu einer gewissen Verstimmung, vor allem vermutlich bei bestimmten Interessenvertretern und Verbänden.  Soweit ich weiß, lief ja die Abstimmung mit den Verbänden noch und was man so hört, sind da wohl schon einige etwas schockiert und verstehen nicht, warum das jetzt ohne Vorankündigung kam. Vermutlich lag es daran, dass die Regierung unbedingt vermeiden möchte, dass das Gesetz erst im nächsten Jahr finalisiert wird. Damit wären nämlich diverse und ziemlich komplexe Rechtsfragen bezüglich des Zeitpunktes der Anwendung verbunden. Die Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen wäre damit extrem hoch. Vermutlich war es dieser Zeitdruck, der zu der überraschenden Veröffentlichung des Regierungsentwurfs geführt hat.

Carsten Ernst_CSRD-UG
Carsten Ernst

Nach unseren Informationen aus Berlin schien im Bundeskabinett Uneinigkeit über manche Nachbesserungen zu bestehen …

Soweit ich es verstanden habe, bestand Uneingigkeit vor allem in der Frage, wer Nachhaltigkeitsberichte prüfen sollen darf. Also nur Wirtschaftsprüfer oder auch andere Erbringer von Bestätigungsleistungen. Da gingen die Meinungen wohl sehr stark auseinander. Letztlich hat sich die Regierung nun dafür entschieden, dass nur Wirtschaftsprüfer als Prüfer in Frage kommen.

Sie sind Wirtschaftsprüfer und wissen sehr viel über Nachhaltigkeit, das ist unter Wirtschaftsprüfern derzeit noch ungewöhnlich. Woher kommt das?

[Lacht.] Ich antworte Ihnen im Schnelldurchgang: Ich war circa 25 Jahre als Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen tätig, teilweise auch für börsennotierte Unternehmen. Aber vor rund drei Jahren dachte ich mir, es wäre nochmals Zeit, was Neues anzufangen. Dann habe ich mich weit umgeschaut und mir überlegt, was ich denn so machen könnte. Und dann kam der erste Entwurf der CSRD und ich dachte: Wow – das wird richtig spannend. Ich hatte so viel Spaß daran, ich fand, das ist so cool. Es ist anders als Finanzen, aber hat immer noch mit Berichterstattung zu tun. Dann ist meine Erfahrungen im Bereich der Finanzberichterstattung auch  nicht ganz umsonst. Ich habe damals auch ein Buch gelesen, das war „Nachruf auf mich selbst“ von Harald Welzer. Das kann ich Ihnen sehr empfehlen. So kam alles zusammen und ich hatte so viel Lust auf Nachhaltigkeit, dass ich seit drei Jahren nur noch das gemacht habe.

Sie sind für uns eine Ausnahme. Die meisten Wirtschaftsprüfer sind aus unserer Sicht noch nicht spezialisiert genug.

Die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften schon. Aber die mittelständischen, die schlafen teilweise da schon noch etwas. Zumindest soweit ich das aus Gesprächen mit Berufskollegen einschätzen kann. Aber ich glaube, das wird sich in den kommenden Monaten deutlich ändern. Im prüfenden Mittelstand gibt es zwei Megathemen, wenn es um die strategische Ausrichtung geht: das eine ist Digitalisierung und das andere Nachhaltigkeitsberichterstattung. Für mittelständische Prüfungsgesellschaften werden Kooperationen von zentraler Bedeutung sein.

Die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind spezialisiert genug. Für mittelständische Prüfungs-gesellschaften werden Kooperationen zentral sein. Für kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaften könnte es ein Problem werden.

Carsten Ernst

Wie werden solche Kooperationen aussehen?

Es geht um die Einbeziehung von externen Experten in die Prüfungsteams. Das ist jetzt nichts Neues – auch bisher binden Wirtschaftsprüfer punktuell externe Sachverständige in die Prüfung von ausgewählten Themen ein, in denen sie selbst über keine ausreichende Expertise verfügen. Art und Umfang dieser Einbeziehung sind dabei berufsrechtlich detailliert geregelt. Das heißt im Außenverhältnis zum Mandant tritt nur der Wirtschaftsprüfer auf. Im Innenverhältnis bindet er Kooperationspartner auf Basis entsprechender vertraglicher Vereinbarungen in die Durchführung der Prüfung ein.

Ich habe vor der SQS in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit ungefähr zehn Mitarbeitenden gearbeitet und frage mich jetzt manchmal, wie die es wohl stemmen?

Ja, das könnte für manche sehr kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaften tatsächlich ein Problem werden. Andererseits haben Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dieser Größe in der Regel keine oder nur sehr wenige Prüfungsmandate in der von der CSRD-Pflicht betroffenen Größe. Möglichkeiten sind die genannten Kooperationsmodelle oder die Einbindung eines anderen Wirtschaftsprüfers in die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts. Eventuell werden sich aber sehr kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch aus dem Markt der Prüfung von CSRD-pflichtigen Unternehmen zurückziehen. Das wird natürlich im WP-Mittelstand sehr kritisch gesehen.

Wie prüfen Wirtschaftsprüfer Nachhaltigkeitsberichte: mit dem ISAE 3000-Standard oder dem IDW PS 982?

Aktuell gibt es in Deutschland ja noch keine Pflicht zur Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten, nur eine Berichtspflicht. Freiwillige Prüfungen wurden in der Regel bisher unter Anwendung des internationalen Standards ISAE 3000 durchgeführt. Das Institut der Wirtschaftsprüfer IDW arbeitet aktuell an deutschen Standards für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten. Daran werden sich Wirtschaftprüfer zukünftig bei der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten orientieren.


Werden darin Checklisten stehen, nach denen geprüft wird?

Nein. In den IDW Prüfungsstandards selbst sind in der Regel keine konkreten Prüfungschecklisten enthalten. Aber Anbieter von Prüfungstools wie AUDICON oder DATEV werden entsprechende Checklisten entwickeln. Ferner werden größere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch eigene Prüfungschecklisten entwickeln und damit arbeiten.

Do or do not. There is no try.

Master Yoda (Star Wars)

Sie haben auf LinkedIn auf ein Mismatch hingewiesen: Die BAFA-Berichtspflicht für 2024 werde ausgesetzt. Können Sie dazu mehr sagen?

Na ja. Da gab es ein Problem in dem bisher vorliegenden Referentenentwurf. Darin stand, dass Unternehmen anstatt des BAFA-Berichts auch den CSRD-Nachhaltigkeitsbericht einreichen können und damit auf die Erstellung eines BAFA-Berichts verzichten können. Das Problem war nun, dass zahlreiche Unternehmen bereits für 2024 einen BAFA-Bericht erstellen müssen, aber erst für 2025 einen CSRD-Nachhaltigkeitsbericht. Das heißt, diese Unternehmen hätten nur für ein einziges Jahr – nämlich für 2024 – einen BAFA-Bericht erstellen müssen. Ab 2025 hätten diese dann anstelle des BAFA-Berichts den Nachhaltigkeitsbericht eingereicht. Auf dieses Mismatch im Referentenentwurf hat beispielsweise die Vereinigung zur Mitwirkung an der Entwicklung des Bilanzrechts für Familiengesellschaften e.V. in ihrer Stellungnahme explizit hingewiesen. Im nun vorliegenden Regierungsentwurf wurde das Problem zum Glück behoben.

Das Lieferkettengesetz ist weitreichender als die CSRD…

Das würde ich so nicht sagen. Es sind im Kern zwei unterschiedliche Regularien: Das Lieferkettengesetz regelt Verhaltenspflichten und die CSRD lediglich Berichtspflichten. Daher hat der BAFA-Bericht auch inhaltlich andere Schwerpunkte als der Nachhaltigkeitsbericht. Insofern ist es natürlich schon komisch, wenn man Birnen schuldet, aber Äpfel einreicht und das so ok ist. Logisch ist das nicht, dass man einen Nachhaltigkeitsbericht einreichen kann, der andere Anforderungen hat, und dafür vom BAFA-Bericht befreit ist. Letztlich sollte man wohl versuchen, das am besten nicht verstehen zu wollen. Sehen wir es als Beitrag zum Bürokratieabbau im ESG-Bereich. Für die betroffenen Unternehmen stellt es auf jeden Fall eine deutliche Erleichterung dar.  

Eine Frage aus Neugier zum Schluss: Auf Ihrem LinkedIn-Profil findet sich auch Master Yoda. Was haben er und Nachhaltigkeit gemeinsam?

In dem Bereich „Bescheinigungen und Zertifikate“ liegt mir mein Seepferdchen, welches ich im Alter von fünf Jahren erfolgreich bestanden habe, am meisten am Herzen. Und wie immer bei einem Sprung ins kalte Wasser gilt halt das, was Master Yoda gesagt hat: „Do or do not – there is no try.“ Und allen, die sich aktuell tief im CSRD-Regulierungsdschungel verirrt haben, mag vielleicht folgender Rat von Master Yoda hiflreich sein: „In a dark place we find ourselves, and a little more knowledge lights our way.“

 

 

Die Fragen stellte Antje Luz.

   

Der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Carsten Ernst ist Geschäftsführender Gesellschafter bei der WirtschaftsTreuhand GmbH in Stuttgart. Auf seinem LinkedIn-Account informiert er über die CSRD. Ferner ist er Sustainability AuditorIDW und Mitglied in der Arbeitsgruppe „CSRD und ESRS“ beim IDW.