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“Bei Nachhaltigkeit hängt alles miteinander zusammen”

Exklusiv-Interview mit Dr. Helmut Frieden

Dr. Helmut Frieden ist Manager für Nachhaltigkeit beim DAX40-Konzern Symrise AG. Im Gespräch verrät er das Erfolgsgeheimnis des vielfach prämierten Unternehmens aus Holzminden, und wie Nachhaltigkeit in der Wirtschaft gelingen kann.

Herr Dr. Frieden, wie definieren Sie Nachhaltigkeit?

In wenigen Worten: Wenn es sich rentiert. Das heißt, wenn ich von Projekten einen Gewinn habe. Das kann zum Beispiel mit der Lieferkette sein, wenn ich Rohstoffe und somit den Zugang zu Rohstoffen sichere, die ich für die Produktion brauche, um Kundenbedürfnisse zu befriedigen.

Sie beziehen Arbeitsbedingungen in der Lieferkette mit ein?

Ja. Ein Gewinn muss nicht nur für unser Unternehmen entstehen, sondern auch für die gesamte Lieferkette. Die Menschen, die vor Ort sind, müssen soziale Verbesserungen erleben und wenn die gegeben sind, können die Menschen kontinuierlich ihre Rohstoffe an unser Unternehmen liefern – und damit können wir die Produkte zuverlässig den Kunden liefern.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Bei der Gewinnung von Vanillin aus Madagaskar haben wir den Menschen Zugang zu Krankenkassen gegeben und den Kindern zu Schulen. Wir arbeiten zum Beispiel mit der NGO Save The Children zusammen, die uns dabei hilft, dass keine Kinder auf den Feldern sind, von denen unsere Rohstoffe kommen. Oder wir trainieren Bauern, wie sie eine Vanilleschote effizient ernten.

Wie meinen Sie das?

Das bedeutet, dass sie die Vanilleschote zum besten Zeitpunkt ernten und nicht schon vorher, weil sie Reis für die Familie kaufen müssen. Wenn sie vier Wochen warten müssen, bis das Vanillin in der Frucht am stärksten ist, aber ihre Familie in der Zeit nicht ernähren können, dann erhalten sie von uns Mikrokredite oder andere Pflanzen für ihre Äcker, um Zwischenernten zu erhalten.

 

 

Dr. Helmut Frieden
Dr. Helmut Frieden

Die Natur ist unsere Nabelschnur.

Dr. Helmut Frieden

Die Symrise AG hat früh viele Preise für ihre Nachhaltigkeit erhalten…

Durch unsere Branche haben wir vielleicht früher als andere mit Nachhaltigkeit begonnen. Unser Engagement auf Madagaskar haben wir auf weitere Projekte übertragen. Wenn wir sicherstellen, dass die Landwirte vor Ort eine sichere Lebensqualität haben, dann sichern wir dadurch unsere Rohstoffquellen und unser Qualitätsniveau – und damit die Bedürfnisse unserer Kunden und die der Konsumenten. Idealerweise greift alles ineinander, vom Rohstoff bis zum Endverbraucher. Diese Art von Unternehmensentwicklung ist ein robustes Modell und gleichzeitig ethisch. Es hängt alles miteinander zusammen!

Sie haben Lieferanten in 150 Ländern der Erde. Wie stehen Sie zum Klimawandel?

Wir müssen den Klimawandel ernst nehmen, denn die Natur ist unsere Nabelschnur. Wir müssen fair mit Rohstoffen umgehen, weil sie aus der Natur kommen. Auch Biodiversität müssen wir ernst nehmen. Der Resilienzforscher Prof. Johan Rockström und sein Konzept der Planetarischen Grenzen gibt eine gute Orientierung, wie wir Risiken entgegenwirken können. Wenn uns das egal ist, können wir irgendwann nicht mehr auf die Rohstoffe zugreifen.

Ab 2023 kommt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Ich habe im April 2021 ein Responsible Sourcing Steering Committee gegründet. Wir nutzen dafür Plattformen, die wir vorher schon genutzt haben, noch stärker, um Risiken in der Lieferkette zu erkennen. Das sind zum Beispiel SEDEX und EcoVadis. Die sagen einem ganz deutlich, wo Risiken in der Lieferkette bestehen und welcher Art sie sind, menschliche Risiken oder Health and Safety oder Umwelt… so kann man 5000 Lieferanten durchpflügen, die Risiken erkennen, mit den Lieferanten Maßnahmen abstimmen und die Risiken abstellen. Wir haben auch eine Roadmap und Ziele dazu entwickelt, die öffentlich in unserem Unternehmensbericht und im GRI-Bericht nachzulesen sind.

Als börsennotiertes Unternehmen veröffentlicht Symrise AG seit 2006 nicht-finanzielle Kennzahlen, die europäischen CSRD-Anforderungen sind im Kommen: Für wie wichtig erachten Sie eine zusätzliche, externe Prüfung des Nach­haltigkeitsberichts?

Das ist absolut wichtig! Das Thema Risiko ist für uns, wie erwähnt, eminent wichtig – ob Lieferanten, Klimawandel oder auch Digitalisierung und Cyberattacken. Symrise lässt schon seit 2014 die nichtfinanziellen Kennzahlen nach dem Standard AA1000AS zusätzlich prüfen. Unser externer Prüfer Dr. Sied Sadek hat uns in der Vergangenheit mehrfach seine Empfehlungen dazu gegeben. Aus diesem Grund habe ich das eben erwähnte Responsible Sourcing Steering Committee gegründet. Eine Due-Diligence-Verifizierung in der Nachhaltigkeit finde ich also eminent wichtig. Auch auf eine externe Prüfung durch die Wirtschaftsprüfer sind wir vorbereitet, aber wir werden trotzdem eine zusätzliche Prüfung nach dem Standard AA1000AS für die GRI oder SASB oder TCFD Berichte weiter beibehalten, weil die Anforderungen unserer Stakeholder ständig steigen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Dr. Sadek?

In einem Wort: Grandios! Ich habe viel gelernt von ihm und muss sagen, es ist schön, wenn man so einen Sparring Partner auf so hohem Niveau hat. Man sieht gemeinsam die Stärken und Schwächen an – und wenn man an den Schwächen arbeitet, verbessert man das ganze System. Es ist ein Continuous Improvement.

Die Symrise AG fokussiert nicht nur auf gängige Prüfstandards, sondern auch auf die 17 SDGs der Vereinten Nationen, den Zielen für Nachhaltigkeit: Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Wir haben deren 169 Unterziele betrachtet und haben festgestellt, dass wir nicht zu allen Zielen einen signifikanten Beitrag leisten können. Dann haben wir herausgearbeitet, wozu wir einen beträchtlichen Beitrag leisten können und haben daraus eine Wesentlichkeitsanalyse gemacht. Das heißt, was ist aus unserer Sicht wichtig und was aus Sicht unserer Stakeholder.

Und welche wesentlichen Themen haben Sie identifiziert?

Das sind Responsible Sourcing, die effiziente Nutzung unserer Rohstoffe und die Anforderungen an den Klimawandel. Übertragen auf die Ziele für Nachhaltigkeit entspricht das SDG 8, SDG 12, SDG 13, SDG 14 und SDG 15. Aber im Zentrum steht für uns SDG 17 und seine Partnerschaften, denn ohne Partner können wir nichts erreichen.

Ohne Partner können wir nichts erreichen.

Dr. Helmut Frieden

Was können Sie kleinen und mittleren Unternehmen, die weniger Ressourcen als Symrise AG zur Verfügung haben, für deren Nachhaltigkeit empfehlen?

Wenn die Ressourcen nicht ausreichen, sollten sich die Unternehmen unbedingt eine fachliche Expertise besorgen. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel nur aus fünf bis zehn Mitarbeitenden besteht, dann sollten sie sich stundenweise Rat bei einem Nachhaltigkeitsexperten holen, das könnte die SQS Deutschland GmbH sein (sic! Anm. d. Red.), um schneller ans Ziel zu kommen. Oder das Unternehmen stellt sogar eine Person ein, abhängig von der Größe der KMU, die sich hauptsächlich darum kümmert, zum Beispiel das Thema Klima voranzutreiben. Sie müssen sich fragen, wie wir Nachhaltigkeit umsetzen können, was wir tun können, dass es sich für alle rentiert. Für alle!

Wie vermeidet man den Eindruck von Greenwashing?

Es ist wichtig, dass man weiß, wo die Grenze liegt. Eine vernünftige Kommunikation über Nachhaltigkeit berichtet über handfeste Zahlen, Daten, Fakten, die idealerweise auch geprüft sind. Das ist etwas, das Investoren oder Stakeholder auch verlangen. Und ich weiß aus vielen Gesprächen, dass nach den Zahlen gerne auch Stories gehört werden, zum Beispiel zur Vanille aus Madagaskar.

Zum Schluss: Wie beeinflusst die momentane Situation in der Welt die nachhaltigen Ziele der Symrise AG?

Das hat mit der Pandemie begonnen, dann kamen die Lieferkettenprobleme und jetzt die Ukraine-Russland-Krise, aber auch Cyberattacken und Klimawandel beeinflussen unsere Ziele. Wir orientieren uns immer wieder neu an der Wesentlichkeitsanalyse, danach richten wir unsere Ziele aus. Bei Responsible Sourcing zum Beispiel legen wir Wert auf Menschenrechte, die in manchen Ländern der Welt weniger geachtet werden, da arbeiten Menschen unter Mindestlohn oder ohne Sicherheitsbrille und Sicherheitsschuhe. Wir arbeiten kontinuierlich für bessere Bedingungen, das kam auch immer in den Gesprächen mit Dr. Sadek heraus, denn sonst sind die Lieferketten nicht mehr robust. Aus diesem Grund hat uns der Lieferengpass aus China nicht so getroffen. Wir haben die Strategie immer an momentane Situationen angepasst und wenn sich Erfolge zeigen, dann weiß man, man ist auf dem richtigen Weg.

 

Dr. Helmut Frieden ist Manager für Nachhaltigkeit beim DAX40-Konzern Symrise AG. Der vielfach prämierte Hersteller von Aroma- und Duftstoffen, kosmetischen Inhaltsstoffen und Heimtiernahrung setzt auf soziale Verantwortung und ressourcenschonenden Produkte, er liegt beim Nachhaltigkeits-Ranking CDP unter den TOP 14 weltweit. Laut Unternehmensaussagen komme jede und jeder Bundesbürger:in täglich mehrfach mit ihren Produkten in Kontakt, vom Abwaschen bis zum Zähneputzen. Der promovierte Chemiker Frieden kam über das Qualitäts- und Umweltmanagement zu Nachhaltigkeit und Unternehmensethik.

Die SQS Deutschland GmbH verifiziert Nachhaltigkeitsberichte.